Bereits heute führt der demografische Wandel zu einem immens gesteigerten Leistungsdruck, der sich mit einer wachsenden Zahl versorgungs- und pflegebedürftiger Menschen fortgeschrittenen Alters zu einer humanen Katastrophe entwickeln kann. Laut dem statistischen Bundesamt ist der demografische Wandel in Deutschland längst angekommen. Die sinkende Zahl der Menschen in jüngerem Alter und die zeitgleich steigende Zahl älterer Menschen verschieben den demografischen Rahmen in bisher nicht gekannter Art und Weise. Jede zweite Person in Deutschland ist heute älter als 45 und jede fünfte Person älter als 66 Jahre. Andererseits hat sich die Bevölkerung im letzten Jahrzehnt durch mehr Zuwanderung und Geburten etwas „verjüngt“. So kamen seit 2010 stets mehr Menschen nach Deutschland als aus Deutschland wegzogen sind. Der Wanderungsüberschuss war besonders bei den Menschen im jüngeren und mittleren Alter deutlich. Auch die Geburtenzahlen sind ab 2012 nach einem langjährigen Rückgang gestiegen. Zwischen 2012 und 2021 kamen infolgedessen insgesamt 656 000 Kinder mehr zur Welt als im Jahrzehnt zuvor. Dies entspricht fast der Geburtenzahl des gesamten Jahres 2011 (663 000).
Nichtsdestotrotz – so geht es auch aus der obigen Grafik des Statistischen Bundesamtes hervor – wird der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung im Verlauf der nächsten 50 Jahre gesicherten Prognosen zufolge deutlich steigen. Aus gegenwärtiger Sicht ist nicht zu erwarten, dass die Tendenz zur Langlebigkeit Älterer zurück gehen wird. Damit einher gehen große Herausforderungen, die unter den Rahmenbedingungen einer marktförmig organisierten Gesellschaft bedrohlichen Charakter haben, was unter anderem die Zukunftsprognosen zu Pflegenotstand und Altersarmut zeigen.
Veränderten Erwerbsbiografien mit Brüchen und Niedriglöhnen bei paralleler Absenkung des Rentenniveaus forcieren künftige Altersarmut deutlich.
Diese Veränderungen sind grundlegend, dauerhaft, treten regional unterschiedlich auf und werden in unserer Gesellschaft immer stärker spürbar. Der demografische Wandel stellt nicht nur eine große Herausforderung für Politik, Verwaltung, Wirtschaft, sondern vielmehr für jeden Einzelnen unserer Gesellschaft dar. Damit ist auch, oder insbesondere die Soziale Arbeit gefordert, auf diese Entwicklungen in Forschung, Praxis und Ausbildung zu reagieren. Insbesondere sozialraumbezogenen Ansätze, u.a. durch alters- oder auch generationengerechte Quartiergestaltung und mit dem Einsatz sozialräumlicher Methoden in der Arbeit mit Älteren soll dem demografischen Wandel Rechnung getragen werden.
Der Demografische Wandel in der Sozialwirtschaft
Die Auswirkungen des demografischen Wandels machen sich (auch) in den Einrichtungen der Sozialwirtschaft bemerkbar. Hohe Arbeitsanforderungen und maximales Arbeitsaufkommen treffen auf Mitarbeitende, deren Durchschnittsalter kontinuierlich steigt. Damit sind an die Einrichtungen Anforderungen gestellt, denen sich Leitungs- und Führungskräfte, Mitarbeitende sowie deren Vertretungen stellen müssen.
Bernhard Frevel zufolge ist der Demografische Wandel kein Schicksal. Er könnte es jedoch werden, wenn er von der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft zu lange ignoriert oder gar tabuisiert wird. Dass der demografische Wandel Risiken birgt steht außer Frage. Diese können jedoch voraussichtlich beherrscht werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sie erkannt werden und offen damit umgegangen wird. Frevel resümiert, dass der aktuelle Prozess vor allem (auch) als Chance zu sehen ist, die gesellschaftlichen Strukturen zu überdenken, die Fundamente der sozialen Beziehungen zu stabilisieren und die Architektur des sozialen Systems „modern“ zu gestalten. Hierzu bedarf es jedoch einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs betreffend die Ausgestaltung dieser Architektur. Beachtung finden sollten auch zivilgesellschaftliche Problemdiagnosen und Handlungsvorschläge, die gewissen Interessensorganisationen insbesondere aufgrund der Komplexität der Thematik überlegen sein könnten.
Lösungsansatz Digitalisierung?
Um eine dynamische, leistungsstarke Gesellschaft zu erhalten, die im globalen Wettbewerb bestehen kann, bedarf es einer vermehrten Bildung Menschen fortgeschrittenen Alters. Bildung Älterer dient damit heute nicht mehr nur dazu, eine Basis für ein selbsterfülltes, aktives und gesundes Leben im Alter nach der Erwerbsarbeit zu ermöglichen, sondern auch dazu, ältere Menschen als aktive Partner:innen auch im produktiven Bereich der Gesellschaft zu erhalten.
Die Digitalisierung ist ein Prozess, der sich teilweise langsamer entwickelt als das oftmals – insbesondere in den Medien – dargestellt wird. Es ist keine Revolution, die innerhalb weniger Tage vollzogen ist. Digitalisierung ist vielmehr ein gradueller Prozess, der auch (neue) Beschäftigung(-en) von Menschen in fortgeschrittenem Alter ermöglicht, indem Arbeitsplätze altersgerechter gestaltet werden. Hierbei muss die Unterstützung durch neue Technologien, welche eine Beschäftigung von Älteren möglich macht, gefördert werden.
Fazit
Insgesamt erfordert der demografische Wandel eine ganzheitliche und vorausschauende Herangehensweise von Regierungen, Unternehmen und der Gesamtgesellschaft. Es müssen Strategien entwickelt werden, um die Herausforderungen anzugehen und die Chancen zu nutzen, die dieser Wandel mit sich bringt. Eine aktive Alterspolitik, Investitionen in Bildung und Weiterbildung sowie die Förderung des sozialen Zusammenhalts sind entscheidende Faktoren, um den demografischen Wandel erfolgreich zu bewältigen.
Der demografische Wandel ist kein vorübergehendes Phänomen, sondern ein langfristiger Prozess. Eine proaktive und zukunftsorientierte Herangehensweise kann dazu beitragen, die Auswirkungen zu mildern und eine positive Entwicklung in einer alternden Gesellschaft zu ermöglichen. Indem wir uns auf die Bedürfnisse aller Altersgruppen einstellen und die Potenziale älterer Menschen nutzen, können wir den demografischen Wandel als Chance begreifen und eine nachhaltige und inklusive Gesellschaft für alle Generationen schaffen.